SPORTDEUTSCHLAND BRAUCHT SPORTRÄUME 

SPORTDEUTSCHLAND BRAUCHT SPORTRÄUME 

Ein Gastbeitrag von Christian Siegel, Ressortleiter „Sportstätten und Umwelt“, Deutscher Olympischer Sportbund. Der Beitrag ist Anfang November in der offiziellen FSB-Messezeitung erschienen. 

Auf der FSB Messe 2019 steht für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) seine Forderung nach einem Bundesförderprogramm mit einem sportstättenpolitischen Schwerpunkt im Fokus. An allen vier Messetagen informierte der DOSB über die Vielfalt von Sporträumen in Deutschland und wie Sportstätten durch den hohen Sanierungsstau bedroht sind. Außerdem präsentierte der DOSB das Internetportal für nachhaltige Sportveranstaltungen „Green Champions 2.0″. 

Gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern zeigte der DOSB darüber hinaus am Messestand 68 in Halle 10.2 gute Beispiele, wie Klimaschutz bei Neubau und Sanierung von Sportstätten gelingen kann, während der Landessportbund Hessen bewährte Beratungsangebote und aktuelle Beispiele vereinseigener Sportstätten vorstellte. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) war zudem mit seinen aktuellen Publikationen aus dem Sportstättenbereich vertreten. Auch alle Themen und Informationen rund um den Deutschen Sportausweis wurden am DOSB-Stand vorgestellt.

Aus den zahlreichen vom DOSB initiierten Fachveranstaltungen ragte das Offene Forum „Nachhaltige Kunststoffrasenplätze: Wohin geht die Reise?“ am 6. November 2019 heraus. Die Debatte um Mikroplastik ist längst im Sport angekommen. In den vergangenen Monaten stand dabei u.a. die Diskussion um Mikroplastik als Füllmaterial für Kunststoffrasen im Sport im Zentrum des öffentlichen Interesses. Mit dieser Veranstaltung bietet der DOSB eine Plattform für den Austausch über die nachhaltige Nutzung, Betrieb, Planung, Bau, Herstellung, Entsorgung und Forschung etc. Dabei sollen ökologische, soziale und ökonomische Perspektiven gleichermaßen in den Blick genommen und gelingende Strategien für den künftigen Umgang breit diskutiert werden.

Ohne Sportstätten kein Sport

Sportstätten sind ein wichtiges Stück Lebensqualität in Sportdeutschland. Sie sind Grundlage für den Breiten- und Leistungssport, für den Schulsport und die Sportlehrerausbildung an Hochschulen. Sie sind Orte für Bildung, Gesundheit, für Integration und Inklusion. Sportstätten sind – neben Personal und Finanzen – die wichtigste Ressource des Sports! Kurzum: Ohne Sporträume kein Sport – so einfach ist das. Und deswegen haben wir ein Problem.

In Deutschland gibt es rund 231.000 Sportstätten, darunter Sportvereinszentren, Stadien, Sporthallen, Bäder, Schießsportstätten und vieles mehr. Dazu kommen rund 370.000 Kilometer Reitwege, Laufstrecken oder Loipen. Das ist gut – nur ist dieses breite Spektrum an Sportstätten sehr „in die Jahre“ gekommen. Der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf für Sportstätten in Deutschland beträgt mindestens 31 Milliarden Euro. Das hat eine Kurzexpertise festgestellt, die der DOSB gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden im Jahr 2018 vorgelegt hat. Sie verdeutlicht den Handlungsdruck.

Christian Siegel beim Kongress SPORTSTÄTTEN FINANZIEREN im Rahmen der FSB Cologne 2019 | Bild: sportstaettenrechner.de

Deutschland ist vom Weltmeister zum Kreisligisten im Sportstättenbau geworden. Der milliardenschwere Sanierungsbedarf ist ein zentraler Engpass für die Sportentwicklung und beeinträchtigt die Lebensqualität vor Ort sowie den Schulsport. Darüber hinaus besagt der Sportentwicklungsbericht, dass ein Zusammenhang zwischen einem attraktiven Sportraum und einer positiven Mitgliederentwicklung besteht. Was ist also zu tun?

Marode Sportstätten konsequent sanieren

Größte Sportanlageneigentümer sind die Kommunen. Mindestens zwei Drittel aller Sportstätten werden von ihnen unterhalten. An zweiter Stelle rangieren die Sportvereine, die zunehmend Verantwortung für vormals öffentliche Sportstätten übernehmen. Schon mehr als ein Viertel sind in Vereinsträgerschaft. Bis Ende der 1960er Jahre gab es in (West-)Deutschland eine Unterversorgung mit Sportstätten. Dieser Engpass wurde durch Kampagnen wie die „Trimm-Dich Bewegung“ des vormaligen Deutschen Sportbundes noch verstärkt, denn immer mehr Menschen trieben Sport. Initiativen der Verbände („Goldener Plan“) und erhebliche Investitionen der öffentlichen Hand bauten diese Unterversorgung nach und nach ab, nach der Wiedervereinigung auch im Osten Deutschlands („Goldener Plan Ost“).

Seit Mitte der 2010er Jahre gilt die Versorgung mit Sportraum als angemessen – in rein quantitativer Hinsicht. Doch seit Ende der 1990er Jahre, rund 35 bis 50 Jahre nach diesem beeindruckenden Boom zeigt sich auch in Sportstätten zunehmend, was Bürgerinnen und Bürger täglich erleben und sehen: Der Substanzverlust der öffentlichen Infrastruktur ist riesig. In der Rangliste der Bereiche mit dem höchsten Investitionsbedarf nehmen die Sportstätten mit Rang sechs einen der vorderen Plätze ein. Doch sie fallen in der Berichterstattung, in den politischen Debatten und Entscheidungen häufig hinter andere Investitionen insbesondere in Verkehrsinfrastruktur oder Breitbandanbindung zurück. Grundsätzlich liegt die Verantwortung für Sportstätten in Deutschland bei den Bundesländern und den Kommunen. Der Bund ist (nur) für Sportstätten im Bereich des Spitzensports zuständig, d.h. für Olympiastützpunkte und die Bundesleistungszentren. Es gibt regionale Unterschiede und vereinzelte zusätzliche Förderinitiativen von Bund, Ländern und Kommunen. Auch Sportvereine und Sportverbände tun einiges.

Und doch ist der Sanierungsbedarf seit Jahrzehnten derart gewachsen, dass er durch herkömmliche Instrumente politischer Steuerung allein nicht beseitigt werden kann. Der Sanierungsstau ist die zentrale sportstättenpolitische Herausforderung der Sportentwicklung in Deutschland. Die gute Nachricht: Das Problem ist in Politik und Fachkreisen mittlerweile weitgehend anerkannt – der Diagnose, die der DOSB seit Jahren in Bund, Ländern und Kommunen, in Fachkreisen und Verbänden auch mit eigenen Wahlforderungen positioniert, wird jedenfalls kaum noch widersprochen. Darüber hinaus gibt es Förderansätze: So hat der Bund städtebauliche Förderlinien und investive Klimaschutzförderansätze für Sportstätten geöffnet. Für die Jahre 2016 bis 2023 unterstützt das Bundesinnenministerium soziale Infrastruktur mit dem Förderprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“.

Die vielfache Überzeichnung des Programms zeigt abermals, wie groß der Bedarf an Förderung von Sportstätten ist: In der aktuellen Förderrunde kamen gut 900 der 1.300 Anträge aus dem Sport. Insgesamt stehen rund 500 Millionen Euro an Fördermitteln zur Verfügung, von denen etwa 340 Millionen Euro in Sportstätten fließen. Das Programm leistet somit einen wertvollen Beitrag zur Sanierung der Sportstätten in kommunaler Trägerschaft. Der DOSB würde sehr begrüßen, wenn das Programm fortgeführt – und für die Förderung vereinseigener Sportstätten geöffnet würde. Auch in Bundesländern wie Hamburg, Hessen, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen gibt es vereinzelt sportfreundliche Sonderprogramme. Allerdings reicht all das nicht aus. Diese Ansätze müssen konsequent weiterentwickelt werden. Auch die Klimaschutzförderung für vereinseigene und kommunale Sportanlagen ist zu verstetigen und noch praxisnäher auszugestalten.

Sportstätteninfrastruktur gemeinsam modernisieren

Es braucht eine nationale Allianz zur Verbesserung der Modernisierung von Deutschlands Infrastruktur und hier insbesondere seiner Sportstätten. Wenn selbst in Zeiten einer soliden Wirtschaftsentwicklung und guter Steuereinnahmen, geringen Zinsen und einer klaren Problemanalyse Bund und Länder sich nicht zu einer nationalen Kraftanstrengung zur Förderung der Sportinfrastruktur durchringen können, ist es schlecht um unser Land bestellt. Man sollte sich schlicht nicht damit abfinden, dass unsere Kinder in kaputten Schulturnhallen unterrichtet werden oder Schwimmbäder nur deswegen geschlossen werden, weil kein Geld für die Sanierung vorhanden ist!

Eins ist klar: Ohne ein nachhaltiges finanzielles Engagement des Bundes, der auf ungeplante Steuermehreinnahmen in beträchtlicher Höhe blicken kann, sind die Engpässe nicht aufzulösen. Darüber hinaus ist es unverzichtbar, dass der Bund ein mehrjähriges Bundesprogramm zur Förderung der Sportinfrastruktur einschließlich der Schwimmbäder in Deutschland im Umfang von jährlich 500 Millionen Euro auflegt. Zudem sind hier die Förderansätze für Sportvereine zu öffnen. Auch die Klimaschutzförderung für vereinseigene und kommunale Sportanlagen ist zu verstetigen und praxisnäher auszugestalten.

Neben der finanziellen Förderung gehört zu einer zeitgemäßen Sportraumversorgung auch die Anpassung immissionsrechtlicher Rahmenbedingungen an neue Lebensrealitäten. Geräusche von Kindern und Jugendlichen beim Sporttreiben mit Industrielärm gleichzusetzen und die Rechte von Anwohnern grundsätzlich über das Gemeinwohlinteresse zu stellen, ist nicht länger hinnehmbar. Der Bund hat mit der Reform der Sportanlagenlärmschutzverordnung erste Schritte getan; im Interesse des Sports muss hier durch eine Kinderlärmprivilegierung im Bundesimmissionsschutzgesetz und weitere Maßnahmen nachgebessert werden.

Das ist eine gewaltige Aufgabe. Aber eine mehrjährige Sanierungsoffensive ist dringend notwendig, damit ein wichtiges Stück Lebensqualität in Sportdeutschland erhalten.

Weitere Informationen: www.dosb.de