Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Positionspapier „Nachhaltiger Sport 2030“ des beim Bundesumweltministerium angesiedelten Beirats „Umwelt und Sport“. Das Positionspapier erläutert, wie eine nachhaltige Gestaltung und sportliche Nutzung von Natur und Landschaft aussehen kann und welche Handlungsfelder darüber hinaus für eine nachhaltige Sportausübung zentral sind.
Sport in Natur, Landschaft und urbanem Raum
Ausgangslage
Der Lebensstil der Bevölkerung und damit auch der Stellenwert von Wohnen, Arbeiten und Freizeit sind im Wandel. Urbanisierung und Digitalisierung befördern einen bewegungsarmen Lebensstil und erhöhen die Notwendigkeit für Gesundheitsvorsorge durch Sport. Siedlungsnahe Grünflächen, Waldgebiete, Wasserflächen, Küsten und Gebirge und andere Landschaftsräume bieten der Bevölkerung bedeutsame Sport- und Bewegungsräume. Ob Radfahren, Klettern, Skilaufen oder Wassersport – alle diese und andere sportliche Aktivitäten tragen zur Vorbeugung bewegungsassoziierter Krankheiten bei, liefern wertvolle Beiträge zum psychischen Wohlbefinden und haben eine sozialintegrative Funktion.
Sport beansprucht Natur und Landschaft. Trails, Wanderwege, Kletterrouten, Loipen, Pisten und andere Sportmöglichkeiten können sensible Lebensräume mit hoher biologischer Vielfalt tangieren. Natur und Landschaft sind nicht unbegrenzt belastbar und uneingeschränkt regenerierbar. Eine große Herausforderung besteht darin, Schutz und Nutzung so miteinander zu verbinden, dass sowohl die Vielfalt der Arten und Lebensräume, als auch eine natur- und landschaftsverträgliche Nutzung erhalten bleiben.
Verschiedene nationale Strategien und Programme formulieren hierzu Entwicklungsziele:
Die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) verfolgt u.a. folgende Zielsetzungen:
- Vermehrung und Verbesserung der Qualität von Erholungsräumen durch Naturschutzmaßnahmen und Vermeidung/Abbau von Beeinträchtigungen,
- Steigerung der Wertschätzung von Natur und Landschaft bei Erholungssuchenden, Aktiven und Touristen und Förderung von umwelt- und naturschonendem Verhalten,
- Konzeptentwicklung für eine naturverträgliche Freizeitgestaltung.
Sie formuliert als konkrete Vision für die Zukunft:
- Natur und Landschaft in ihrer Vielfalt und Schönheit ermöglichen Sport, Erholung, Naturerfahrung und -erleben und prägen die regionale Identität. Tourismus, Sport und Erholung beeinträchtigen Natur und Landschaft wesentlich. Sie setzen sich gemeinsam mit dem Naturschutz für die Erhaltung der Kultur- und Naturlandschaften ein.
Auch der Masterplan Stadtnatur des BMU (2019) berücksichtigt die Potenziale des Sports für eine lebenswerte Stadt. Er artikuliert u.a. zur Bedeutung von Stadtnatur:
- Stadtnatur bedeutet Lebensqualität, Gesundheit, Bewegung und Naturerfahrung. Vielfältige Grünflächen bieten Raum für Erholung, Sport und Freizeitgestaltung.
Eckpunkte
Mehr als 15 Millionen Menschen in Deutschland treiben wöchentlich Sport im Freien. Sie erfreuen sich an der vielfältigen Natur und Landschaft, die die positiven Wirkungen von Sport und Bewegung noch verstärken.
Insgesamt scheint der Höhepunkt des quantitativen Wachstums im Natursport erreicht, der Markt zeigt deutliche Merkmale einer Sättigung bzw. Konsolidierung. Aktuelle Trendsportarten sorgen in erster Linie nicht für weiteres Wachstum, sondern für eine Verlagerung und Ausdifferenzierung innerhalb der Disziplinen. Die Taktung neuer Trends wird kürzer, da Natursport als Teil des Waren- und Dienstleistungsangebots heute klassischen Produktlebenszyklen folgt. Damit verbunden steigt die Zahl der Personen, die Natursport nur gelegentlich betreiben; deren Bereitschaft, sich in Vereinen und Verbänden zu organisieren, ist eher gering. Parallel sinken Ausübungsniveau, sportfachliche Kompetenz des Einzelnen und die emotionale Bindung im jeweiligen Sport und seinem Naturraum.
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die naturräumlichen und naturschutzfachlichen Rahmenbedingungen im Natursport verändert. Die Nutzung des Raums unterliegt, z.B. durch neue Schutzgebietsausweisungen und teils konsequente Naturschutzauslegung, anderen Gesetzmäßigkeiten als früher. Viele Natursportler*innen bemängeln eine Überreglementierung und sehen sich einem zunehmenden Rechtfertigungszwang für ihre Aktivitäten ausgesetzt. Dieser Zwang wiederum kann in einer ablehnenden Haltung gegenüber auch sinnvollen Regelungen zur Erreichung von naturschutzfachlichen Zielen münden. Der Naturschutz umfasst die Gesamtheit von Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung von wildlebenden Tier- und Pflanzenarten mit ihrer genetischen Vielfalt in überlebensfähigen Beständen (Artenschutz), den Schutz und die Neuschaffung von Lebensräumen (Biotopschutz), den Schutz von Boden, Wasser und Klima (abiotischer Ressourcenschutz), den Prozessschutz sowie den Schutz von Landschaftsbild und Erholungsfunktion (ästhetischer Landschaftsschutz). Darin impliziert sind die Dienstleistungen, die Ökosysteme für den Menschen bringen. Der Naturschutz heutiger Prägung weist viele klassisch konservierende und regulatorische Elemente auf, zeigt aber auch einen dynamischen Ansatz, der Entwicklungen und Veränderungen in Natur und Landschaft einschließlich menschlicher Aktivitäten mit einbezieht. Hierin liegt ein Potenzial, Verständnis bei den Sporttreibenden zu gewinnen.
Belastungen für Natur und Landschaft
Die grundsätzlichen Belastungen für Natur und Landschaft durch Sportaktivitäten sind seit längerem bekannt und vielfach bereits auch gut untersucht. Sie entstehen im Wesentlichen durch zeitliche und räumliche Konzentration von Natursportler*innen sowie durch Ausbreitung von Natursportaktivitäten in bisher ungenutzte Räume. Treiber sind hier unter anderem technische Innovationen und neue sport- und freizeitbezogene Infrastrukturen. Zur Bewertung der Auswirkungen sind entscheidend: die naturräumlichen Gegebenheiten und deren Schutzbedürftigkeit sowie ihre Empfindlichkeit in Zusammenhang mit den multifaktoriellen Landschaftsnutzungen beispielsweise auch durch Land- und Forstwirtschaft. Wirkung und Bewertung von einzelnen Sportaktivitäten ergeben sich erst aus dem Zusammenspiel von Aktivität und Qualität des genutzten Naturraumes und dem Abgleich mit den Zielsetzungen der Akteure aus Naturschutz, Wasser-, Land- und Forstwirtschaft sowie anderen Freizeitnutzungen einschließlich der Jagd.
Nutzungskonflikte können im konkreten Fall meist dann zufriedenstellend und dauerhaft gelöst werden, wenn sich alle Akteure und Entscheidungsträger*innen vor Ort kompetent und zielorientiert beteiligen. Zielkonflikte zwischen den Interessen des Natursports und des Naturschutzes oder auch mit der Land-, Forstwirtschaft und Jagd erfordern ein verlässliches Wissen als Entscheidungsgrundlage. Dabei haben vielfach Sportorganisationen, Natursport- sowie Naturschutzverbände durch die Bildung professioneller Organisationen dazu beigetragen, die Diskussion zu versachlichen und durch abgestimmte Maßnahmen Konflikte abzubauen. Hilfreich ist es, wenn es für Räume mit unterschiedlichen Nutzungsansprüchen ganzheitliche, großräumige Konzepte und Zonierungslösungen gibt, die langfristig zur Konfliktlösung und zur Konfliktvermeidung beitragen. Entsprechende umfassend abgestimmte Lösungskonzepte wurden zunächst von Sportverbänden eingefordert, gelten inzwischen aber auch bei den Fachbehörden und Naturschutzorganisationen als anzustrebende Entwicklung.
Ziel ist ein integratives Sport- und Erholungsmanagement, das die räumliche Verteilung der Aktiven lenkt, Konflikte vermeidet und das Verhalten in Natur und Landschaft positiv beeinflusst. Eine vielfach nicht ausreichend berücksichtigte Grundlage für dauerhafte Lösungen ist eine systematische Erfassung der landschaftsbezogenen Sportaktivitäten sowie der Motive, der spezifischen Bedürfnisse und Konflikte der verschiedenen Akteursgruppen. Diese Datengrundlagen sind eine entscheidende Voraussetzung für maßgeschneiderte Planungs- und Managemententscheidungen. Der Managementplan kann – entsprechend den Problemstellungen im Einzelfall – neben freiwilligen Vereinbarungen, Appellen und Projekten zur Umweltbildung, auch spezifische Ge- und Verbote enthalten, die die Einhaltung der erforderlichen Schutzmaßnahmen und rechtlich bindenden Verordnungen gewährleisten.
Die verstärkte Komfort-, Konsum- und Erlebnisorientierung erhält ein umfangreiches Waren- und Dienstleistungsangebot. Nachfrage und Angebot wechseln in kürzeren Zyklen und forcieren die Entwicklung neuer Spielarten. Dadurch wächst der Druck, geeignete Räume noch intensiver zu erschließen – nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der Städte. Innerstädtische Park- und Grünanlagen sind oft nicht ausreichend dimensioniert oder ungeeignet, uninteressant oder schlicht zu verstädtert. Dennoch entstehen dort, wo es möglich ist, neben normierten Sportstätten immer mehr „informelle“ Sporträume auf städtischen Grün- und Freiflächen.
Durch den Erhalt und die Förderung von Stadtnatur werden Natur und biologische Vielfalt vor Ort erlebbar und Möglichkeiten für Sport, Spiel und Bewegung gesichert. Neue sportbezogene Infrastrukturen und zeitgemäße Sportangebote für die Menschen vor Ort tragen ebenso zur Aufwertung des Stadtteils und zur Lebensqualität bei, wie neue Park- und Grünflächen.
Ein weiteres und ergänzendes Potenzial liegt in der Einbindung stadtnaher Erholungswälder. Sie können die Freizeitqualität erheblich steigern, Verkehr eindämmen, wertvolle Außenbereiche entlasten und urbane Räume aufwerten. In den letzten Jahren ist festzustellen, dass die Ausbildung im Bereich der Forstwirtschaft die Kenntnisse im Bereich der Erholungsnutzung immer weniger berücksichtigt und damit für die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen schlecht gerüstet ist. Darüber hinaus ist auch die personelle Ausstattung der Forstorganisationen den Aufgaben im Bereich Erholung, vor allem in urbanen und touristischen Räumen, vielfach nicht angemessen.
In Großschutzgebieten erhalten Sport und Erholung eine wachsende Aufmerksamkeit und Beachtung im Rahmen des Schutzgebietsmanagements. Unterstützt werden sollte dieser Prozess durch die Entwicklung innovativer Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung der in den nationalen Naturlandschaften aktiven Sportler*innen sowie diesbezügliche Kooperationen zwischen Schutzgebietsverwaltungen und Sportorganisationen.
Empfehlungen des Beirats
- Die Diskussionen um Zielkonflikte zwischen Sport und Naturschutz sowie Land- und Forstwirtschaft müssen auf Erhebungen basieren, die sowohl sportliche, als auch die natur- und artenschutzrechtlichen Belange abdecken, um erfolgreiche Lösungsansätze zu entwickeln.
- Naturschützer*innen im Sport und Sportler*innen im Naturschutz sollen in ihren Arbeitsgebieten als Multiplikator*innen und Mediator*innen wirken können, dazu müssen sie entsprechend qualifiziert und aktiv in relevante Gremien eingebunden werden. Zudem sollen sie bei Vernetzungsprozessen unterstützt werden.
- Kooperationsvorhaben zwischen Sportorganisationen und Naturschutz sollten mit öffentlichen Mitteln gestärkt und gefördert werden.
- Die institutionelle Unterstützung von Maßnahmen zur Sensibilisierung von Sportvereinen und -verbänden sowie den Betreibern von Sportstätten für die Möglichkeiten der Ökologisierung von Sportgeländen und der Integration von Biodiversitätsschutz wird für erforderlich gehalten.
- Sportorganisationen sollten noch stärker den Schutz der biologischen Vielfalt und die damit einhergehenden Ökosystemleistungen sowie den Klimaschutz
- in ihren unterschiedlichen Handlungsfeldern berücksichtigen und Informationen und Empfehlungen bundesweit bereitstellen.
- Gesellschaftlicher Wandel erfordert auch für den Sport fortlaufende Anpassungen in der Kommunikation und Bildungsarbeit. Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und Naturerfahrung sind dabei wichtige Eckpfeiler. Wirksame Bildung für nachhaltige Entwicklung und Kommunikation braucht eine zielgruppengerechte Aufarbeitung, Bereitstellung und Verbreitung von Informationen durch Sportverbände an Aktive und Multiplikator*innen.
- Bund, Länder, Kommunen, Tourismusanbieter und Ausrüster/Sportartikelhersteller sollten interdisziplinär zusammenarbeiten, um Problemstellungen frühzeitig zu erkennen und Lenkungs- und Kommunikationsmaßnahmen rechtzeitig einsetzen zu können. Dazu gehört auch, dass alle Beteiligten mehr Verantwortung für die Erhaltung artenreicher Lebensräume und Naturlandschaften übernehmen.
- Der erfolgreiche Interessensausgleich zwischen Natursport und Naturschutz sowie die Etablierung vielfältiger Kooperationen sind auf den Naturraum Wald mit Waldeigentümern und der Forstverwaltung sowie auch auf die landwirtschaftliche Kulturlandschaft auszuweiten.
- Die übergreifenden Ansätze, wie die der Bundesplattform „Wald – Sport, Erholung, Gesundheit“ (WaSEG) zur Vereinfachung der Rechtslage zum Betretungsrecht des Waldes und Leistungen der Waldwirtschaft für Sport, Erholung und Gesundheit, sind zu unterstützen.
- Um gesundheitliche Chancengleichheit und Teilhabe zu fördern, sollten Zugänge zu Grün- und Naherholungsflächen für Bewegung und Sport für alle Bevölkerungsschichten ermöglicht werden. Die Schaffung von Zugängen zu Grünflächen in der Wohnumgebung (in urbanen Räumen) ist insbesondere in sog. Sozialraumgebieten von besonderer Bedeutung, um auch sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen Rahmenbedingungen für mehr körperliche Aktivität, physische und psychische Gesundheit, Wohlbefinden und Teilhabe zu ermöglichen.
Das komplette Positionspapier „Nachhaltiger Sport 2030“ steht als kostenfreier Download auf den Seiten des Bundesumweltministeriums zur Verfügung: